Keine Windräder auf dem Lochberg!

Bürgerinitiative WEA Unterer Fuldagrund fragt nach

Zur Erinnerung:
Bereits während des laufenden Regionalplanverfahrens Mittelhessen – Teilplan Energie haben 2012 geschäftstüchtige Eigentümer und -innen das Nutzungsrecht an ihren landwirtschaftlichen Grundstücken durch Vorverträge an den seinerzeitigen Windprojektentwickler „NWIND“ (Hannover) abgetreten.
Diese Firma wurde 2021 vom BayWa-Konzern übernommen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Stadt Schlitz bereits 2015 ihre Bringschuld in Sachen Windenergieanlagen erbracht, und die landesrechtliche Ausweisungsvorgabe von zwei Prozent der Fläche sogar übererfüllt hatte (FNP „Windpark Berngerode“ mit zwölf Windrädern), wurde „eigenmächtig“ durch das Regierungspräsidium Gießen (RP) das Windenergiegebiet 5410 (Lochberg) nachträglich in den Regionalplan aufgenommen.

Frühe Proteste von Rimbacher Bürgern und -innen und die Weiterleitung der Eingabe mit den dazugehörigen Unterschriftenlisten durch Bürgermeister Hans-Jürgen Schäfer an das RP (SB v. 09. Okt. 2015) vermochte die Planaufstellungsbehörde nicht von ihrer Vorgabe abzubringen. Sogar fachliche, hausinterne Bedenken und Warnungen vermochten, dem Vernehmen nach, das dogmatische Vorgehen der Behördenspitze nicht zu beeinflussen, geschweige denn zu stoppen.
Hierzu muss man wissen, dass hessische Regierungspräsidenten keine Wahlbeamten sind, sondern vom Ministerpräsidenten ernannt und abberufen werden. Als Behördenleiter sind sie somit gegenüber der Landesregierung absolut weisungsgebunden. Dies gilt in besonderem Maße auch für die staatliche Planungsaufgabe der Landesentwicklung, die federführend im Hessischen Wirtschaftsministerium (Minister Tarek Al- Wazir, Bündnis 90/Grüne, v. 2014 bis Jan. 2024) bearbeitet wird.

Neben der übergewichteten repräsentativen Willensbildung im Landesplanungsrecht gibt es auch ansatzweise ein plebiszitäres Element. Zum einen dürfen Bürger und -innen im sogenannten Anhörungsverfahren zumindest ihre Meinung äußern, zum anderen, und dies ist die entscheidendere Form der („indirekten“) Bürgerbeteiligung, können die in die Regionalversammlung entsandten regionalen Vertreter der politischen Klasse Planungskorrekturen, bis hin zur Ablehnung einzelner Vorhaben, bewirken.
Die seinerzeitigen vier „Deputierten des Vogelsbergkreises“ – allesamt Bürgermeister aus CDU, SPD und FWG – sind ihren Pflichten bezüglich einer abgewogenen bürger-, natur- und landschaftsverträglichen Windenergieplanung, zumindest für das Schlitzerland, absolut ungenügend – um nicht zu sagen gar nicht – gerecht geworden. Lag es an einer mangelnden Kenntnis der örtlichen Situation (keiner der Herren kam aus dem Schlitzerland) oder vergaß man vonseiten des Magistrats, überzeugend auf die Problematik hinzuwirken?
Fragen, die wohl unbeantwortet bleiben, aber bei zukünftigen regionalen Planungen umso nachdrücklicher zu beachten sein werden!

Im Ergebnis hat dieses Gremium, das als Verbindung zwischen kommunaler Selbstverwaltung und der staatlichen Landesplanung gedacht ist, total versagt! – der Teilregionalplan Energie Mittelhessen wurde am 18. Dezember 2017 wirksam. In einem ergänzenden Verfahren vom 24. Juni 2019 wurden nachträglich Korrekturen an der Gebietskulisse von fünf Vorranggebieten (VRG) in den Landkreisen Gießen, Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf vorgenommen. Der Vogelsbergkreis, geschweige denn das Schlitzerland, standen jedoch nicht zur Debatte!

Als Konsequenz der selbstherrlichen Ausweisungspolitik des RP, die aufgrund der intensiven Vorgespräche (FNP „Windpark Berngerode“) mit Bürgermeister Schäfer durchaus als Vertrauensbruch gewertet werden muss, sah sich die Stadt gezwungen, 2018 beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel eine Normenkontrollklage einzureichen. Dieses noch anhängige Verfahren soll primär klären, ob die Festsetzung des VRG (Lochberg) rechtens erfolgt ist, auch unter Beachtung der in Artikel 28 Grundgesetz garantierten kommunalen Selbstverwaltung.
Wegen detaillierter Angaben zum Verfahrensstand wird auf den Artikel im „Schlitzer Boten“ von Walter Kreuzer („Bemühungen auf eine mündliche Verhandlung“ vom 11.12.2023) hingewiesen. Eine neuerliche Anfrage der BI bei Bürgermeister Heiko Siemon erbrachte keine weitergehenden Informationen bezüglich des Verfahrensstands.

In der Rückschau stellt sich unter anderem jedoch die Frage, warum erst ein Jahr nach der Klageerhebung ein „Güteverfahren“ anberaumt wurde? Nach zwei weiteren ergebnislosen „Verhandlungsjahren“ wurde, aufgrund der dringenden Empfehlung der BI WEA Unterer Fuldagrund (Artikel im SB vom 23.10.2021 „Die Zeit drängt – es ist 5 vor 12“), das Verfahren durch Stadtverordnetenbeschluss endlich eingestellt!
Derartig lange Verfahrensdauern sind äußerst ungewöhnlich und vermitteln den Eindruck mangelnden Problembewusstseins und Lösungsinteresses seitens der beiden Parteien. Der Verdacht einer bewusst in Kauf genommenen Verfahrensverschleppung, von welcher Seite auch immer, liegt nahe.

Bleibt zu hoffen, dass nunmehr die erforderlichen Unterlagen (formell- und materiell- rechtlich) korrekt und vollständig in Kassel eingegangen sind, und der 11. Senat mit seiner Arbeit beginnen kann.

Parallel zu der Normenkontrollklage läuft, als eigenständiges Verfahren, beim RP der Antrag auf Baugenehmigung für die beiden Windräder. Nach letzten Informationen sollen die Antragsunterlagen noch nicht vollständig vorliegen. Diese Aussage erstaunt umso mehr, als der Antrag bereits vor einem Jahr eingereicht wurde und es sich bei dem Genehmigungsverfahren um ein sogenanntes Vereinfachtes Verfahren (Paragraf 19 Bundes-Immissionsschutzgesetz) handelt, das behördenintern, ohne Bürgerbeteiligung, durchgeführt wird.
Dass ein gut organisierter Großkonzern wie BayWa derartige Verzögerungen akzeptiert, hat mit Sicherheit seine Gründe, über die sich trefflich spekulieren lässt.

Wegen der gravierenden Verfahrens- und Abwägungsmängel empfiehlt die BI WEA Unterer Fuldagrund, das Windparkprojekt „Lochberg“ gänzlich zu canceln!

BI WEA Unterer Fuldagrund